Graz soll Metro bekommen | Die Diskussion um die U-Bahn wird auf der völlig falschen Ebene geführt
Eine U-Bahn erscheint in Graz nur deswegen notwendig, weil sich die Stadtpolitik seit Jahren weigert, effektive Schritte zur Reduzierung des motorisierten Indvidualverkehrs zu setzen. Würde sie das machen, wäre an der Oberfläche ausreichend
Die Diskussion um die U-Bahn wird auf der völlig falschen Ebene geführt.
Eine U-Bahn erscheint in Graz nur deswegen notwendig, weil sich die Stadtpolitik seit Jahren weigert, effektive Schritte zur Reduzierung des motorisierten Indvidualverkehrs zu setzen. Würde sie das machen, wäre an der Oberfläche ausreichend Platz vorhanden, um das ÖV-Netz auszubauen. Gleichzeitig könnten Radwege errichtet und attraktive Fußgängerzonen geschaffen werden. Menschen würden sich infolge wieder mehr in ihrer Umgebung aufhalten, wodurch auch der Bedarf, jeden Tag quer durch die Stadt zu fahren, sinken würde. Somit könnten auch Straßenbahnen und Busse die benötigten Kapazitäten innerstädtisch leicht abdecken.
Für den Pendelverkehr gäbe es ebenfalls deutlich bessere Lösungen. Die paar Prozentpunkte Verschiebung im Modal Split, die die U-Bahn bringt, würden davon weit übertroffen werden. Die überaus einseitige MUM-Untersuchung hat diese Alternativen leider nicht geprüft. Eine Kombination aus viel Fuß- und Radverkehr, einem guten ÖV-Netz (S-Bahn, S-Bus, Straßenbahn, Stadtbus) sowie diversen Sharing-Angeboten würde die ökologischen und sozialen Probleme am meisten reduzieren - und wäre wohl leichter umsetzbar als eine U-Bahn.
Kernproblem ist offensichtlich, dass die Straßenbahn nicht konsequent ausgebaut wird bzw. wurde.
Die Politik muss weiter denken: Es gibt genug Platz an der Oberfläche
„Der Platz in einer gewachsenen Stadt ist nicht vermehrbar“, wie Politiker und Experten in der Pressekonferenz zur geplanten U-Bahn in Graz mehrfach betonten. Das stimmt. Was sie vergessen haben zu sagen: Der vorhandene Platz an der Oberfläche würde für die Abwicklung der Verkehrs selbst bei einer wachsenden Bevölkerung völlig ausreichen – wenn man den Mut hätte, Flächen vom motorisierten Individualverkehr auf Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr umzuwidmen.
Die moderne Stadt, die viele Menschen in Graz wollen, sieht anders aus, als sie sich konservative Politiker und von ihnen ausgewählten Experten um die 60 vorstellen. Die Straßen sind lebendig und grün, es dominieren Fußgänger*innen, Radfahrer*innen, spielende Kinder und Menschen, die auf Bänken und Tischen sitzen. Alle paar Minuten fährt eine Straßenbahn oder ein E-Bus vorbei. An ausgewählten Punkten kann man E-Autos und Lastenräder ausleihen, um größere Gegenstände zu transportieren oder entlegene Ziele außerhalb der Stadt anzusteuern. Was man im Alltag braucht, bekommt man in der unmittelbaren Umgebung. Es gibt für viele Menschen keinen Grund mehr, jeden Tag quer durch die Stadt zu fahren. Für die wenigen weiteren Wege sind Straßenbahn und Bus völlig ausreichend. Mit weniger Verkehr werden auch die öffentlichen Räume immer attraktiver – eine Positivspirale setzt ein. Die durchschnittliche Weglänge sinkt auf wenige Kilometer, weil attraktive Wohn-, Arbeits-, Einkaufs-, Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten nah beisammen sind. Auch der Pendelverkehr lässt sich über geeignete raumplanerische Maßnahmen reduzieren. Der verbleibende kann indes leicht über das bestehende S-Bahn-Netz und ein zusätzlich zu errichtendes S-Bus-Netz abgewickelt werden, das Graz mit allen größeren Gemeinden und den Bezirkshauptstädten im 15-Minuten-Takt verbindet. Investitionen sind auch dafür notwendig - neben der Umgestaltung der öffentlichen Räume vor allem für die Errichtung und den Ausbau von Bahnhöfen und Haltestellen mit entsprechenden Park+Ride-Anlagen entlang der S-Bahn- und -Bus-Linien sowie für den zweigleisigen Ausbau der S-Bahn. Hier könnten die Mittel des Bundes optimal eingesetzt werden. Innerstädtisch braucht es ein flächendeckendes Netz aus Straßenbahnen (an Hauptrouten) sowie Stadtbussen (an Nebenrouten). Auch dafür sind beträchtliche Investitionen nötig, inkl. Verbesserungen der Fahrzeugflotte. Die Zeit drängt: Graz braucht nicht irgendwann einen besseren ÖV, sondern in den nächsten 5-10 Jahren ein ganzheitlich durchdachtes Verkehrssystem, in dem Fuß- und Radverkehr die Hauptrolle spielen, der ÖV etwas wichtiger ist als heute und der MIV nur mehr die Ausnahme darstellt. Das ließe sich schnell umsetzen – wenn die Politik endlich weiter denkt.
Presseaussendung MoVe iT Graz
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